Musik als Zusammenhang denken

Ligeti interpretieren

Autor/innen

  • Ulrich Mosch Paul Sacher Stiftung Basel

DOI:

https://doi.org/10.71046/simjb.2023.15

Abstract

Lassen sich Werke wie Ligetis Atmosphères oder andere seiner Kompositionen aus den sechziger und frühen siebziger Jahren interpretieren ? Und zwar in einem substantiellen Sinne, der die Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen einschließt, welche sich gleichermaßen durch die Partitur legitimieren können ? Oder lassen sich solche Werke vielleicht nur ausführen oder bestenfalls »darstellen«? Die Hauptthese der Keynote ist : Sie lassen sich nicht nur interpretieren, sie müssen, um ihr volles Potential als Musik zu entfalten, auch interpretiert werden. Die Fragestellung wird zunächst anhand von drei Aufnahmen von Atmosphères präziser umrissen. Ausgehend von dem 2015 erschienenen Buch Analyser l’interprétation de la musique du XXe siècle. Une analyse d’interprétations enregistrées des ›Dix pièces pour quintette à vent‹ de György Ligeti von Philippe Lalitte wird anschließend anhand des neunten Stücks ein grundsätzliches Problem empirischer Interpretationsanalysen erörtert, nämlich das Verhältnis von messendem methodischen Zugang und ästhetischem Urteilen. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, besteht darin, den Interpreten als Handelnden, das heißt als Musiker, der ein Stück klanglich realisiert, in den Fokus zu rücken. Ausgehend von den Überlegungen des Soziologen Alfred Schütz, und insbesondere seines 1951 publizierten Aufsatzes Making Music Together, wird ein entsprechender theoretischer Zugang in den Grundzügen umrissen. Abschließend wird an einem Ausschnitt aus dem ersten Satz von Ligetis Zweitem Streichquartett (1967–1968) der Versuch gemacht, die theoretischen Überlegungen auf ein konkretes Beispiel anzuwenden.

Thinking Music as Coherence – Performing Ligeti
Can works such as Ligeti’s Atmosphères and other of his compositions from the sixties and early seventies be ›interpreted‹ ? In a substantial sense that includes the possibility of different interpretations that can be equally justified by the score ? Or are such works perhaps merely executable or at best ›presentable‹? The main thesis of the keynote is that they not only can be interpreted, they rather must be interpreted in order to unfold their full potential as music. The issue is first outlined on the basis of three recordings of Atmosphères. Based on the 2015 book Analyser l’interprétation de la musique du XXe siècle. Une analyse d’interprétations enregistrées des ›Dix pièces pour quintette à vent‹ de György Ligeti by Philippe Lalitte, a fundamental problem of empirical performance analysis is then discussed on the basis of the ninth piece, namely the relationship between the measuring methodological approach and aesthetic judgment. One way to solve this problem is to focus on the performer as an actor, i. e. as a musician who realises a piece of music in terms of sound. Based on the considerations of the sociologist Alfred Schütz, and in particular his essay Making Music Together published in 1951, the essentials of a corresponding theoretical approach is outlined. Finally, using an excerpt from the first movement of Ligeti’s Second String Quartet (1967–1968), an attempt is made to apply the theoretical considerations to a concrete example.

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Veröffentlicht

23.02.2025

Zitationsvorschlag

Mosch, U. (2025). Musik als Zusammenhang denken: Ligeti interpretieren. Jahrbuch Des Staatlichen Instituts für Musikforschung Preußischer Kulturbesitz, (2023), 97–123. https://doi.org/10.71046/simjb.2023.15