Dialektik der Oper?

Zu Siegmund von Hauseggers »Zinnober«

Abstract

Dialektik der Oper? Zu Siegmund von Hauseggers »Zinnober«
Siegmund von Hauseggers 1898 unter der Leitung von Richard Strauss in München uraufgeführte Oper Zinnober ist als Gegenstand der Opern- und Librettoforschung dazu geeignet, die Tragweite bürgerlichen Antisemitismus in der Musik des späten 19. Jahrhunderts zu ermessen. In der Rezeption der Schriften und Musikdramen Richard Wagners wird E. T. A. Hoffmanns Märchen Klein Zaches genannt Zinnober (1819) zu einer offen antisemitischen Handlung umgeformt. Der Übergang von einem Erzähltext der literarischen Phantastik zum musikalischen Drama stellt dabei einerseits die Frage nach der Übertragbarkeit dialektischer Strukturen auf die Bühne, zumal die später von Adorno und Horkheimer benannte »Dialektik der Aufklärung« das diskursive Zentrum von Hoffmanns Märchen bildet. Als Rezeptionsdokument rückt Hauseggers Zinnober andererseits den wagnerianischen Blick auf die literarische Romantik in den Fokus und fragt nach den Keimzellen bürgerlichen Antisemitismus innerhalb derselben.

Dialectic of Opera? On Siegmund von Hausegger’s »Zinnober«
Siegmund von Hausegger’s opera Zinnober, first performed by Richard Strauss in Munich 1898, reveals the influence of civil antisemitism on late 19th-century music. In reception of Richard Wagner’s writings and music dramas, E. T. A. Hoffmann’s fairy tale Klein Zaches genannt Zinnober (1819) is transformed into an openly antisemitic plot. The transformation of a narrative text originating from German Romantic literary fantasy into an opera, on the one hand, raises the general question of the transferability of dialectical structures to the stage – especially as the dialectic of enlightenment later named by Adorno and Horkheimer forms the discursive center of Hoffmann’s fairy tale. As a document of reception, on the other hand, Hausegger’s Zinnober focuses both on the Wagnerian view of literary Romanticism and on the Romantic origins of civil antisemitism.